Vortrag & Diskussion - Samstag 29.5. 19:30
Geschlechterfantasien
Von der Psychoanalyse des soldatischen Mannes zur Psychoanalyse des Geschlechterverhältnis
Die Entstehung von Faschismus und Nationalsozialismus aus der bürgerlich-kapitalistischen
Gesellschaft begreifbar zu machen, Bedeutung und Funktionsweise von Antisemitismus, Sexismus,
Nationalismus und Rassismus zu erklären, ist noch das Ziel eines jeden Versuchs, „Marxismus“ und
„Freudianismus“ produktiv zu verknüpfen. Reichs Sexpol-Konzept, die Kritische Theorie der
Frankfurter Schule, die in Wechselseitigkeit entwickelten Subjektionskonzepte von Althusser und
Lacan, wie auch der radikale Versuch von Deleuze/Guattari, Freuds Entdeckung des Unbewussten
zu de-ödipalisieren und die Funktionsweise des Unbewussten mit Marxens Begriff der
gesellschaftlichen Produktion in eins zu setzen, eint trotz aller Beschäftigung mit der Sexualität,
eine merkwürdige Blindheit gegenüber den Kategorien Nation und Geschlecht.
Klaus Theweleits „Psychoanalyse des soldatischen Mannes“, vorgelegt in der 2-bändigen Studie
„Männerfantasien“ ist der erste Versuch, Geschlechtlichkeit in das Zentrum einer kritischen Analyse
von Faschismusgenese zu stellen. Das Unbehagen, das seine These ausgelöst hat, Faschisten,
Schwule und Sadisten vereine das „Nicht-zu-Ende-geboren-sein“, muss nicht für die Richtigkeit der
These stehen. Dennoch verdient sie in Anbetracht ihrer Rezeptionsgeschichte Aufmerksamkeit. So
liegen auch 40 Jahre nach der Erstveröffentlichung keine Übersetzungen ins Spanische, Italienische
und Griechische vor, bzw. wird ihr geschichtswissenschaftlicher Gehalt in der deutschen Debatte
schlichtweg ignoriert.
Theweleit weist bereits darauf hin, das seine Arbeit nicht das Geschlechterverhältnis selbst in den
Blick nimmt und auch seine Thesen zur „Homosexualität“ nach dem Aufkommen der „Queer
Theory“ anders formuliert werden sollten. Aber nicht nur Butler weist auf den konstitutiven
Zusammenhang von Begehren und Staatsbürgerschaft hin, auch die Kritische Psychologie als
marxistische Subjektwissenschaft hat Begriffe zur Analyse von Geschlecht und Nation als der
bürgerlichen Gesellschaft inhärente Kategorien. Dies soll den Ausgangspunkt liefern, die
Männerfantasien als Geschlechterfantasien neu zu lesen, um so die Verknüpfungen von
faschistischer und bürgerlicher Gesellschaft stärker zu erhellen, bzw. Perspektiven aufzuzeigen, die
gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnisse überwinden können.
Marcel Wolters studiert Psychologie in Wien, arbeitet als freier Pädagoge und ist Sachbearbeiter für HomoBiTrans-Gelegenheiten bei der ÖH Uni Wien.